Bei Swen Kuttner wird man immer wieder auf Sturheit treffen. Nicht nur in der Linie. Aber wenn man es auch geradezu als eine der Todsünden der Kunst bezeichnen könnte, in den Linien zu laufen (Beuys), macht Kuttner aus diesem Verdikt die Kunst.
Linien, stur, in immer neuen Anläufen übermalt und überzeichnet. Durch diese Schichtung und Überlagerung, durch diese feinen Nuancen, durch die sich die Linie von der Geraden, das Leben von der Geometrie unterscheidet, entsteht Rhythmik, Musikalität, Vibration – entsteht Kunst.
Die Linien und Streifen werden zu sich bewegenden Stäben, Klangstäben, die sich in ihrem eigenen Rhythmus bewegen. So entstehen verflochtene Linien, Korbmuster, Gewebe, ineinander verstrickte und sich verstrickende Strukturen, mal mehr, mal weniger konsonant und dissonant.
Kuttner verstrickt die Fäden und Bänder seiner sturen Linien zu immer neuen Mustern und bewegten, sich bewegenden Flächen. Die Sturheit verwandelt sich, je länger wir vor dieser Malerei stehen, immer intensiver in Bewegung, einer Bewegung, die am Betrachter nicht spurlos vorübergeht. In dem Maße, in dem wir in der Malerei ihre Bewegtheit, Bewegung und ihren Rhythmus entdecken, bringt dies auch etwas in Bewegung in uns. So ist es bei jeder guten Komposition. Sie bewegt nicht nur die physische Materie, also Stoffe, Farbe oder Klang, sie ist immer gleichzeitig auch ein Botenstoff, ein Transmitter in unsere bewegten Tiefen und wühlt dort oft die abgelagerten, sedimentierten und sklerotisierten Schichten der Seele auf.
Wolfgang Zumdick